Der äußere Schein trügt, denn was aussieht wie ein kleiner Stadtflitzer ist in Wahrheit eine vollwertige Rennmaschine, die durchaus mit den Großen mithalten kann.
Eigentlich ist Renault-Sprecher Thomas May-Englert ganz zufrieden: "Mehr muss nicht sein." Wohl wahr - in dem so unschuldig aussehenden roten Twingo, den der zusammen mit ein paar Bekannten und Kollegen aufgebaut hat, steckt schon so ziemlich drin, was geht. Der Kleine hat es knüppeldicke unter der Fronthaube und ist ein absolutes Einzelstück. Vor lauter Kraft kann er - noch - kaum richtig laufen. Aber "den Rest bekommen wir auch noch hin", ist May-Englert sich sicher. Das Rezept ist ziemlich einfach - nur die richtige Dosierung der Gewürze ist wie meistens fummelig. Man nehme sich einen simplen neuen Renault Twingo ("Den einfachsten, den wir finden konnten.") in der Basisversion und beine ihn erst einmal gründlich aus - inklusive Motörchen, Getriebe und Teile des Fahrwerks. Dann besorge man sich aus dem hauseigenen Konzernregal ein paar Einzelteile: Vom Megane das Getriebe, vom Clio RS II den Zwei-Liter-Motor, die Scheibenbremsen, Achsschenkel, Querlenker und Radnaben, dazu ein paar Federn hier und ein paar Zubehörteile aus der Abteilung Rennsport dort. Das alles quetsche man in den nackten Twingo. "Viele Teile aus dem Clio passen auch in den Twingo - die Bremsen zum Beispiel", erinnert sich May-Englert. "Andere, wie den Motor, mussten wir ziemlich rein quetschen." Und dafür wieder anderes kurzerhand woanders unterbringen. Die Batterie etwa wurde nicht nur gegen eine Gel-Batterie ausgetauscht, sondern auch statt im Motorraum unter dem Sitz montiert. Von außen sieht der Twingo auch nach der Kraftkur ganz normal aus - inklusiver TÜV-Plakette. Ein Blick in den Innenraum zumindest lässt schon mal vermuten, dass hier nicht alles so ist, wie es scheint. Der Fahrersitz wurden gegen einen Recaro-Schalensitz ausgetauscht. Über dem Lenkrad gibt ein digitales Anzeigeinstrument aus dem Rallyesport Auskunft über Kennwerte, die in einem normalen Twingo keinen ernsthaft interessieren.
Fast schon Gewissheit wird der Verdacht, sobald der Motor seine Arbeit aufnimmt. Nicht nur, dass er wie ein Rennmotor erst mal ein paar Versuche braucht, bis er dann schließlich läuft: Vor allem der satte Sound und die wohligen Vibrationen der ganzen Karosserie haben nun so gar nichts mit dem braven Twingo zu tun. 238 PS bringt der Motor. Und ein Drehmoment von 340 Nm. Nicht schlecht bei nur etwas über einer Tonne Leergewicht. Das hier - ist ein kleiner roter Teufel. Und der braucht Feuer. Wenn der ehemalige DTM-Pilot Markus Oestreich ihn über das kurvige Testgelände des TÜV Rheinland bei Mendig in der Eifel prügelt, dann macht er das mit dem Respekt vor dem (noch) Unberechenbaren: "Der Wagen ist jetzt zu etwa drei Viertel fertig", sagt er zwischen zwei Kurven. Vor allem die nimmt er noch mit etwas gebremstem Temperament: "Am Fahrwerk muss noch gearbeitet werden." An der Federung zum Beispiel, die mit den ungewohnten Fliehkräften noch nicht so recht umzugehen weiß. Auch der Durst des kleinen Satansbraten ist noch ungezähmt: "Derzeit rauschen noch so um die 25 Liter auf 100 Kilometer durch die Zylinder", schätzt May-Englert. Mit dem Megane-Getriebe "sollten so um die 210 km/h Spitze drin sein." Derzeit sind es noch rund 185 hm/h. Und für die Kraftübertragung sorgt noch ein 6-Gang-Schaltgetriebe mit Sperrdifferenzial aus dem Clio RS II Cup. So an die drei Monate werden May-Englert und seine Mitstreiter bei dem Adenauer Renault-Händler Patrick Kirfel in ihrer Freizeit an dem kleinen Satansbraten gearbeitet haben, bis alles 100%ig passt. Die ganz normale Straßenzulassung hat er eh schon längst. Zwischen 40.000 und 50.000 Euro dürfte das Projekt "Gucken, was geht" (May-Englert) dann gekostet haben. "Aber eigentlich", sagt er, "ist der Twingo unbezahlbar."
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